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Meine Erlebnisse zum 9. November 1989
von Peter Feustel aus Hannover
(www.peter-feustel.de )
 

 


Zum Thema

 


 

Text und Fotos dieser Seite von Peter Feustel:
http://www.peter- feustel.de

 

 

 

 

 

Ich war bis zum November 1989 mehrmals in der DDR zu Besuch. Aber 1989 waren 2 Besuche, die ich nie vergessen werde.
Oschersleben 1989                                                                                     © Feustel
 
 


Oschersleben 1989                                                                                     © Feustel

 


4.11. – 11.11. 1989 in Salzwedel

 
Ich befand mich vom 4.11. – 11.11. zu einem Besuch bei einem Bekannten in Salzwedel. An dem historischen 9.11. habe ich noch Bekannte in Haldensleben besucht und wir waren abends in einer Veranstaltung in der Kirche in Haldensleben. Gegen 20:15 kam jemand in die Kirche und rief ganz laut, man könne ab sofort über Marienborn in den Westen fahren. Einige verließen zwar die Kirche, aber ansonsten lief die Veranstaltung weiter.



© Feustel

 
Irgendwie wollte ich es nicht glauben, aber in dieser Zeit passierten Dinge in der DDR, die man nicht für möglich hielt. Gegen 21:00 machte ich mich wieder auf den Weg nach Salzwedel und machte natürlich sofort das Radio an. Nach einiger Zeit kam dann die Meldung, das die Grenze wirklich geöffnet wurde. Als ich wieder in Salzwedel ankam, wurde ich sofort gefragt, ob ich es schon gehört hätte, dass die Grenze geöffnet wurde.
 
Wir sind dann am 10.11. noch in der Umgebung von Salzwedel gewesen. Überall waren die Meldestellen von Menschen umlagert, die ihre Papiere für die Reise in die Bundesrepublik holen wollten. Am 11.11. wollte ich noch zur Staatsbank gehen, da ich noch Geld übrig hatte, und wollte es dort einzahlen. Von ferne sah ich die Schlange vor der Bank und bin gleich wieder zurück. Da mein Bekannter auch mit mir nach Hannover fahren wollte (er hatte einige Zeit vorher schon eine Besuchsgenehmigung bekommen), sagte ich, dass wir sofort losfahren sollten.
Als wir kurze Zeit später in Salzwedel auf die B71 kamen, standen wir schon im Stau. Bis zur GÜST (Grenzübergangsstelle) bei Bergen/Dumme waren es 10 km, und wir brauchten dafür ca. 3 ½ Stunden. Ich war wohl fast der einzige Wessi, der in diesem Stau stand.


© Feustel

Vor mir stand ein junges Ehepaar in ihrem Trabbi. Der Mann erzählte, das er am Vortag schon 5 Stunden Schlange bei der Bank und der Meldestelle gestanden habe. Und nun noch mal 3 Stunden, um mal kurz in den Westen zu fahren.


© Feustel


© Feustel

Ein anderer kam, und fragte, wie es hinter der Grenze aussähe. Einem weiteren Autofahrer schenkte ich meinen Atlas. Er kam vom Urlaub an der Ostsee und wollte nach Thüringen. Und um den Westen zu erkunden, wollte er immer an der Grenze entlang fahren, hatte aber natürlich keine Karte. Es war für mich ein schönes Erlebnis, in diesem Stau zu stehen.


© Feustel

An der GÜST wurde mein Pass noch ordnungsgemäß mit einem Ausreisestempel versehen, aber auf eine Autokontrolle wurde verzichtet. Und als man den Westen erreicht hatte, standen die Leute aus Bergen und Clenze Spalier an der Straße.

   
Hans-Peter Rühle schreibt im April 2008:

Ich lebte zu dieser Zeit in Salzwedel und habe die Zeit, als das Größte in meinem 50 jährigen Leben empfunden. Auch wenn viele Jahre vergangen sind, berührt mich diese Zeit noch sehr. Als ich Ihren Bericht gelesen habe, kamen mir die alten Erinnerungen.
In der DDR geboren und aufgewachsen lebte und arbeitete ich in Salzwedel. Schon immer fühlte ich mich im "Arbeiter und Bauernstaat" kontrolliert und bevormundet. Die zarten Versuche der Menschen schon vor der Öffnung der Grenze gegen die Diktatur Stellung zu beziehen, sprachen mich sehr an. So war auch ich dabei. Man konnte es kaum glauben, dass man etwas sagen konnte, ohne eingeschüchtert oder zum schweigen befohlen zu werden. Die Heuchler der SED wollten natürlich nicht aufgeben.
Als die Grenze dann überraschend Löcher bekam, konnte ich es nicht glauben. Gerechnet habe ich mit einigem, aber nicht damit.
Es war unglaublich. Am 10.11.89 wollten meine Brüder und ich meinem Vater beim Umzug helfen. Die Autoschlange reichte aber quer durch Salzwedel. Alle sprachen nur über das Eine. Am Tag danach gingen wir durch das ehemalige Sperrgebiet zur Grenze über Hoyersburg Richtung Lüchow. Wir standen da und vor uns lag das Wendland. Aber ein Übertritt war dort noch nicht möglich.
Dann kamen die Treffen und kleine und große Feiern der Umarmungen fremder Nachbarn.
Die Ereignisse überschlugen sich. Ich hätte nicht geglaubt, dass die Monate für mich ein großes Stück gelebte und erlebte Geschichte werden soll.
Mein Bruder und ich waren zu der Zeit begeisterte Tandemfahrer. Ich bin Blind und freute mich immer auf unsere Fahrten. Am 14.11.89 machten wir unsere erste Tour nach Bergen. Natürlich waren wir der Mittelpunkt auf den Straßen. Es herrschte nur Freude und Begeisterung.
Dass es sicher nicht so bleiben würde, war mir klar. Aber davon wollten wir nichts wissen.
Heute lebe ich schon seit 18 Jahren in Gladenbach in Mittelhessen. Mir geht es gut. Aber ich werde immer ein Sohn der Grenze bleiben. Sie war zu nahe, um vergessen zu werden.

 

 

Fotos der Grenzanlagen 1990

 

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