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    |  | Der Zeitungsausträger Adolf SchmalfeldEine
      Denunziation in Lüchow 1944
Recherche und Fotos mit Hilfe vonFriedrich Bohlmann, Ursel Lange
 und
    Irene Burmeister
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        | Dieses "Man durfte ja nichts sagen. Die Nazis 
          hatten überall ihre Spione." wird wohl stimmen. Aber diese "Spione" waren  eben nicht böse Unbekannte 
          von irgendwoher, sondern die Mehrheit der Dorf- und Stadtbevölkerung und 
          eben wohl auch manche derjenigen, die uns Nachkriegskindern solches 
          erzählten. Wie sonst hätte folgende Geschichte zu einem Zeitpunkt ablaufen können, als doch angeblich jeder den Zusammenbruch schon kommen 
          sah. Im September 1944 wird Adolf Schmalfeld verhaftet, weil er 
          unvorsichtig im Schnapsladen von Pöhlsen in Lüchow (mit Blick auf das 
          Hitlerporträt an der Wand) den Satz gesagt hat: "Der hängt dort nicht 
          mehr lange!"
 Die Informationen über Adolf Schmalfeld sind 
          bisher noch spärlich. Einige Gerichtsakten, die im Hauptstaatsarchiv 
          in Hannover gefunden wurden, haben uns angetrieben, nach seiner 
          Geschichte und besonders nach seinem Verbleib zu forschen. 
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        | Im Hauptstaatsarchiv in Hannover findet man unter der Kennzeichnung 
        Hann. 86 Celle Acc.142/90 Nr. 44/1011 die Personalakte des Gefangenen 
        Adolf Schmalfeld im Zuchthaus Celle. | 
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        | Celle 14.10.1944 Lebenslauf des Gefangenen Adolf Schmalfeld
 "Ich wurde am 20. 4. 1882 in Kehrberg Kreis 
        Ostprignitz geboren. Vom fünften Lebensjahr an besuchte ich die 
        Volkschule. Am 1.11.1896 kam ich als Pantoffelmacher in die Lehre bis 
        1899.
 Nach der Lehrzeit arbeitete ich als Gehilfe in verschiedenen Orten.
 Von 1905 bis 1912 als Arbeiter und Maschinist auf Ölbohrung beschäftigt. 
        Am 20.4.1908 verheiratete ich mich in Lüchow. Vom 1.August 1912 bis 31. 
        Oktober 1915 arbeitete ich als Maschinist im Kali-Bergbau Teutonia 
        Schreyahn bei Wustrow Kreis Dannenberg.
 Vom 1. November 1915 bis 13. Januar 1919 war ich Soldat an der Ostfront 
        im Kriege als Infanterist bei ??? Regiment 75.
 Vom Jahre 1919 bis 1. November 1929 habe ich im Bergbau weiter 
        gearbeitet. Von da ab bis zum heutigen Tag  als Zeitungträger und 
        Pantoffelmacher in Lüchow Kreis Dannenberg.
 In meiner Ehe wurden mir 5 Kinder geboren, drei Söhne und zwei Töchter.
 Adolf Schmalfeld"
 Im Adressbuch von 1934 wird Adolf
        Schmalfeld in der Karl-Schulz-Straße  6 als Zeitungsträger genannt.
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               Adolf Schmalfeld mit seiner ersten Frau (und Kindern?)
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          | In der Neuen Straße wohnt Familie Hanto. Die Personen auf dem Foto 
          sind nicht im Einzelnen namentlich bekannt. Luise Hanto, geb. 1894, ist zunächst unter dem Namen Heitmann 
          verheiratet und hat einen Sohn Horst.
 Nach ihrer Scheidung heiratet 
          sie 1933 Adolf Schmalfeld und wird ebenfalls vom Zeitungsverlag als 
          Austrägerin eingestellt. 
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        | Die Zeitung schreibt später über Luise Schmalfeld: Von ihr "geht ein 
        Fluidum von Mütterlichkeit, guter Laune und Gefälligkeit aus." Ähnliches 
        gilt auch für ihren Mann. Sie werden in der Stadt allgemein ganz 
        ungewöhnlich genannt, nämlich "Mutter-Oma" und "Vater-Opa". 
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               Adolf Schmalfeld
 | Im September 1944 wird Adolf Schmalfeld verhaftet und 
        ins "Zuchthaus Celle" überführt. Als Grund ist überliefert, er habe gesagt: "Die Stricke für Keller und 
        Konsorten liegen schon bereit."
 Der Name Keller bezieht sich auf den Ortsgruppenleiter der NSDAP, Leiter der 
        Landwirtschaftsschule.
 Eine 
        Frau Ziedelmann hat dies einem bei ihr einquartierten Offizier berichtet.
 Nach dem Zusammenbruch wird wegen der Denunziation tatsächlich ein 
        Prozess gegen Frau Ziedelmann geführt aber ohne Urteil eingestellt.   Bis März 1945 wartet Adolf Schmalfeld im Zuchthaus auf seinen 
        Prozess.  | 
               Luise Schmalfeld
          1953
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        | Luise Schmalfeld erhält am 15 12.1944 eine Erlaubnis 
        ihren Mann unter Aufsicht eines Gefängnisbeamten zu besuchen. 
  Akte | 
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    |  | Der Lüchower Rechtsanwalt Mesler erklärt, dass er nicht als 
    Schmalfelds Wahlverteidiger nach Celle kommen wird "wegen der derzeitigen 
    Verkehrslage".
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        | Vor dem Prozess wird ein ärztliches Gutachten erstellt:
 "Med. Rat Dr Dermann
 Staatl. Gesundheitsamt Cell, Dell, den 6.- März 1945 Zuchthaus
 An das Hanseatische Oberlandesgericht II. Strafseant in Hamburg
 Betr. Strafsache gegen Adolf Schmalfeld, geb. 20. 4. 1882
 Der Strafgefangene Adolf Schmalfeld wurde von mir am 3. 3. 1945 untersucht
 Schmalfeld ist körperich noch verhältnismässig rüstig, zeigt aber geistig 
    bereits starke Alterserscheinungen, auffallend ist seine Schwatzhaftigkeit, 
    die vereinzelt schizophrene Züge zeigt.
 Schmalfeld leidet an einer senilen Demenz mit schizophrenen Zügen, er kann 
    daher für das, was er redet nicht voll verantwortlich gemacht werden. Ich 
    halte daher die Anwendung des § 51 Abs. 2 für angezeigt
 (Unterschrift) Medizinalrat"
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        | Am 14. März 1945 wird Adolf Schmalfeld wegen "öffentlicher 
        Wehrkraftzersetzung" zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt:
 "In der Strafsache gegen den Zeitungsausträger und Pantoffelmacher Adolf 
        Schmalfeld, geboren am 20. April 1882 zu Kehrberg/Ostpriegnitz wegen 
        öffentlicher Wehrkraftzersetzung, hat der II. Strafsenat des 
        Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg auf dem Gerichtstag in Celle 
        in der Sitzung am 14. März 1945 um 15 Uhr 40 für Recht erkannt:
 Der Angeklagte wird wegen öffentlicher Wehrkraftzersetzung auf Grund von 
        § 5 Abs. I Ziffer 1, Absatz II zu 2 (zwei) Jahren Gefängnis verurteilt. 
        Auf die Strafe wird die Untersuchungshaft von 5 Monaten und 3 Wochen 
        angerechnet. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
 Die Richtigkeit der Urteilsformel wird beglaubigt und die 
        Vollstreckbarkeit des Urteils bescheinigt..
 Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des II. Strafsenats des 
        Hanseatischen Oberlandesgericht
 gez. Bruno Hoffmann, Justizinspektor."
 
  Urkunde |  |  
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        | Die nächste Akte belegt am 3. April 1945 ein
        Aufnahmeersuchen an das Strafgefängnis Hannover. Der Verurteilte soll aus dem Gerichtsgefängnis in Celle dort eingeliefert 
        werden.
 Die Überführung nach Hannover klappt offenbar nicht mehr. 
        Stattdessen gibt eine weitere Akte vom "Zuchthaus Celle" einen 
        anderen Hinweis auf das Verschwinden von Adolf Schmalfeld. Der 
        lapidare
  handschriftliche Eintrag über den Grund des Austritts (aus dem 
        Zuchthaus): "verlegt nach Dreibergen" (  Urkunde) lässt  vermuten, dass Adolf Schmalfeld auf einem der 
        Todesmärsche umgekommen ist. Im März und April 1945 werden auf tagelangen Märschen und in überfüllten 
        Güterzügen Tausende von Gefangenen aus KZ´s und Gefängnissen  von 
        der SS brutal, wahllos und chaotisch vor der Front der vordringenden 
        Alliierten her durch Norddeutschland getrieben. Über einen solchen 
        Gefangenenmarsch durch Gartow am 13.4.1945 hat auch Karl Heinz Schwerdtfeger 
        berichtet.
 Der Eintrag trägt das Datum 10. April 1945. An diesem Tag besetzen die 
        Amerikaner Celle.
 Der Celler Bahnhof wurde einige Tage vorher durch Bombenangriff 
        zerstört. Die "Überführung" wird somit ein Fußmarsch gewesen sein.
 Vom Internationalen Suchdienst (ITS) in Bad Arolsen erhielten wir 
        folgende Nachricht:
 "In unseren allgemeinen Informationen konnten wir lediglich einen 
        Vermerk über einen Marsch am 7.4.1945 von ca. 3000 Mann von Celle aus 
        entnehmen. Angaben über nähere Umstände werden auch hier nicht erwähnt."
 Der Unterschied im Datum lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass 
        der Gefängnisbeamte einige Tage gebraucht haben mag, 3000  
        Aktenvermerke einzutragen ...
 Das berüchtigte Gefängnis Bützow-Dreibergen liegt in Mecklenburg.
 Ein 
        Gefangenentransport von Celle kommt tatsächlich einige Tage später in Dreibergen an. Darüber gibt es 
        Unterlagen im Heimatmuseum "Krummes Haus" in Bützow. Frau Angela Pupke 
        schreibt: "Der Gefangenentransport aus Celle kam am 13.April 1945 in 
        Bützow an. In unseren vorhandenen Dokumenten konnten wir Adolf 
        Schmalfeld nicht finden."
 Dies ist bisher die letzte Information im Zusammenhang mit Adolf Schmalfeld. Laut Zeitzeugen hat Luise Schmalfeld nie eine Nachricht 
        über den Verbleib ihres Mannes erhalten. 1958 schreibt die EJZ: "Nie 
        wieder hat man von ihm gehört, er blieb verschollen in irgendeinem KZ, 
        weil ihn Lüchower Zeitgenossen denunziert hatten."
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        | Neue Nachricht (7. Dez. 2009):
 Aus England erreicht uns ein 
        Bericht, der zwar nicht konkret Adolf Schmalfeld betrifft, aber doch 
        weitere Vorstellungen über den Todesmarsch von Celle nach 
        Dreibergen-Bützow ermöglicht: "My father and I live in West Sussex, England but 
        my father and his family are from Hamburg. Dad and two of his brothers 
        fought in the Resistance against Hitler but my father is the sole 
        survivor.
 My father's brother, Rudolf Stender born 26th December 1899 was 
        sentenced on 23rd October 1944 to five years, hard labour. We have since 
        found out from Hannover Archives, that after this sentence, he was to be 
        handed back to the Gestapo. He was sent to Zuchthaus Celle on 27th 
        November 1944.
 He was a skilled engineer and was only just kept alive by water soup and 
        bread. They had only one slice of bread in the morning, water soup 
        lunchtime and one slice of bread at night. The firm he "worked" for was 
        Bosch. Bosch archives confirm that there was a factory set up in 
        Zuchthaus Celle and that in 1944, there were 300 people "working" there.
 Although like Adolf Schmalfeld, on Rudolf's official records in Hannover 
        Archives, Rudolf was supposed to have left Celle on 10th April 1945. 
        However a prisoner and comrade of Rudolf who was with him in Celle and 
        on the journey to Buetzow, went to see Rudolf's sister in 1946. He told 
        Lotte what happened. The following is his record of the event:
 
 Als Insasse des Zuchthauses Celle 
        muβte er in 12 stündiger Arbeitszeit bei völlig unzureichender Ernährung 
        als Zwangsarbeiter in dem Rüstungsbetrieb Trilka-Werke arbeiten. Infolge 
        Unterernährung erkrankte er an Ruhr und wurde, obgleich schon drei 
        Wochen bettlägerig, mit 40 Grad Fieber am 9 April 1945 zusammen mit 452 
        politischen Gefangenen vor dem Anrücken der Alliierten nach Mecklenburg 
        in Marsch gesetzt. Die Gefangenen waren den Strapazen des Marsches nicht 
        mehr gewachsen, doch ohne Rücksicht auf Verluste wurde er durchgeführt. 
        Das Gros blieb auf der Strecke, nur ganz wenige erreichten den 
        Bestimmungsort Dreibergen. Unter diesen wenigen befand sich kaum 
        glaublich, auch Rudolf Stender. Zähe, alle Kräfte zusammenraffend, hatte 
        er den Marsch überstanden, aber den Keim des Todes in sich aufgenommen.
 Er wuβte, daβ die letzte Stunde für das verbrecherische Hitlerregime 
        geschlagen hatte und die Freiheit in greifbare Nähe gerückt war. Die 
        physischen Anstrengungen auf dem Todesmarsch lieβen ihn nicht wieder 
        genesen. Körperlich vollkommen ruiniert, konnte er sich nach der 
        Befreiung durch die Alliierten nicht mehr erholen und starb infolge 
        Entkräftung am 18 Mai 1945.
 
 I hope that this might help in understanding what could have happened to 
        Adolf Schmalfeld. It seems the information we have is not in any 
        archives. Hardly anyone survived this march and no soldiers/guards want 
        to admit to the horrors of this event.
 If however you do find any additional information, I shall be pleased to 
        hear from you.
 Greetings from England
 Mrs Ruth Barriff and (my father) Werner Stender aged 94 years."
 
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          | Am Ende des Krieges werden auch im Wendland noch heftige Kämpfe gegen 
          die Amerikaner geführt. Es wird hier ein Kapitel, das nur wenige Wochen umfasst, als 
          "Zeitabschnitt" eingefügt.  Die vorliegenden Berichte zeigen auf, 
          dass die Amerikaner den ganzen Landkreis zwar in kurzer Zeit 
          einnehmen, aber nicht überall auf weiße Fahnen stoßen.  
           April 1945 
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        (Seite erstellt im Juni 2009) |  |